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Holzwickeder Zeit

Ziffernblatt der ev. Kirche Opherdicke

Auch die Zeit in Holzwickede hat eine Geschichte. Wir können sie als Geschichte des alten Ziffernblatts an der evangelischen Kirche in Opherdicke erzählen, aber natürlich ist die Geschichte der Zeit noch viel älter.

Der Lauf der Sonne bestimmte unser Leben schon bevor unsere Vorfahren Menschen waren. Irgendwann erkannten die Menschen dann, dass die Sonne nicht nur auf- und untergeht, sondern scheinbar gleichmäßig über den Himmel wandert. Und dass ein Schatten auf der Erde ebenso gleichmäßig wandert. Die Sonnenuhr war geboren und ermöglichte den Menschen, den Tag in Abschnitte einzuteilen, die später Stunden genannt wurden. Die Mitte des Tages wurde zum "Mittag", wenn die Sonne am höchsten stand. Diese Zeitmessung hat für Jahrtausende ausgereicht.

Je wichtiger die Zeit für die Menschen wurde, umso schmerzlicher vermisste man die Zeitmessung, wenn die Sonne hinter dichten Wolken verborgen oder es Nacht war. Andere Zeitmesser wurden erfunden: Sanduhren, Kerzenuhren, Wasseruhren und schließlich mechanische Uhren, elektrische Uhren und elektronische Uhren.

Das bäuerliche Leben unserer Holzwickeder Vorfahren brauchte keine genaue Zeitmessung. Jahrhundertelang reichte der Stand der Sonne, um rechtzeitig vor dem Dunkelwerden das Tagwerk zu beenden. Die Kirche rief die Kirchgänger mit ihrer weithin hörbaren Glocke, Uhren waren unnötig auf dem Land.

Für die ersten Pingen und Zechen reichte diese "Zeitmessung" noch aus, aber spätestens mit dem Einzug der Eisenbahn wurde es auch in Holzwickede mehr und mehr hilfreich, eine genauere Zeit als den Sonnenstand zu haben, vor allem, wenn man pünktlich am Bahnhof sein musste. Ob die erste öffentliche Uhr in Holzwickede im Bahnhof stand oder ob die Uhr an der evangelischen Kirche in Opherdicke seit 1882 Holzwickedes erste öffentliche Uhr war, ist heute nicht bekannt.

Wir können aber mit Sicherheit annehmen, dass die Kirchturmuhr zunächst regelmäßig anhand der verfügbaren Sonnenuhren nachgestellt wurde. So genau waren die ersten Kirchturmuhren noch nicht. Die erste Zeit, die am Opherdicker Kirchturm abzulesen war, war die "wahre Holzwickeder Ortszeit". Um 12 Uhr stand die Sonne am höchsten.

Der zunehmende Eisenbahnverkehr und andere Möglichkeiten, schneller als bisher zu reisen, brachte mit der Zeit aber Probleme mit sich. Schon in Soest gingen die Uhren gegenüber Holzwickede um zwei Minuten vor, bis Berlin wurde es fast eine halbe Stunde: jeder Ort hatte seine eigene Ortszeit, je nachdem auf welchem Längengrad er liegt. Das erschwerte vor allem zunächst die Fahrplanerstellung, so dass die Eisenbahnen Vorreiter bei der Einführung der heute üblichen Zonenzeit waren, bevor der preußische König 1893 eine verbindliche gesetzliche Zeit für ganz Preußen einführte, die Zeit des 15. Längengrads östlich von Greenwich, heute Mitteleuropäische Zeit genannt.

Mit den immer genauer werdenden Uhren ergab sich aber noch ein anderes Problem: maß man den Sonnentag mit einer exakten Uhr, stellte man fest, dass die gemessene Dauer eines Tages nicht exakt 24 Stunden je 60 Minuten, zusammengesetzt aus 60 Sekunden entspricht. Unsere Uhren zeigten stets nur einen durchschnittlichen Sonnentag an und wichen so im Laufe eines Jahres um bis zu einer viertel Stunde vom Lauf der Sonne ab.

Das tun sie noch heute, unser Leben richtet sich nicht mehr am genauen Sonnenstand aus, sondern am durchschnittlichen, dem "mitteleren Sonnentag". Besser können es die Uhren nicht und wir richten uns danach. Nicht mehr der Sonnenstand Ã¼ber Holzwickede ist maßgebend, sondern der über Görlitz, das auf dem 15. Längengrad liegt. Heute leben wir jeden Tag einen "mittleren Sonnentag" von exakt 86400 Sekunden Länge. Egal wie die Sonne steht. Im Sommer legen wir sogar noch eine Stunde obendrauf und haben die Sommerzeit mit langen, hellen Abenden.

Mit unseren heutigen Computern können wir inzwischen aber auch die exakte Sonnenzeit berechnen, die für einen Ort gilt. Die Zeit, nach der immer um 12:00 die Sonne ihren Höchststand erreicht. 12 Uhr Mittag ist wieder die Mitte des Sonnentages. Sie wird in der Wissenschaft "wahre Ortszeit" genannt. Wir wollen die Zeit nicht zurückdrehen, aber wir können den Unterschied zu "damals" heute sichtbar machen.

Für Holzwickede stellen wir auf einer eigenen Internetseite ab sofort die "wahre Holzwickeder Ortszeit" zur Verfügung, wie unsere Vorfahren sie bis Mitte des 19. Jahrunderts benutzen, entweder als digitale Uhr mit Ziffern: ortszeit.geschichtswerkstatt-holzwickede.de/ oder mit dem historischen Ziffernblatt als analoge Uhr: ortszeit.geschichtswerkstatt-holzwickede.de/analog/.

(Text und Bilder: A. Heidemann,  Holzwickede)

Nachtrag: 2016-08-22, Link zur analogen Uhr eingefügt.